Zusammenfassung: Anna Karenina (Leo Tolstoi)

Autor: Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828 - 1910)
Originaltitel: Anna Karenina
Veröffentlichung: 1878
Textsorte: Roman
Textgattung: Epik
Literaturepoche: Realismus

Inhaltsangabe:
Der nach Meinung vieler Literatur-Fachleute neben „Krieg und Frieden“ beste Roman des berühmten russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (1828 – 1910) „Anna Karenina“ erschien 1878 erstmals in Buchform. Im Jahr zuvor war das voluminöse Werk bereits in der pro-refomerischen Zeitschrift „Ruskiy Vestnik“ („Der Russische Bote“) als Fortsetzungsroman abgedruckt worden. In „Anna Karenina“ erzählte Tolstoi in epischer Breite die Entwicklungen in mehreren Familien der russischen Oberschicht seiner Zeit. Dabei legte Tolstoi den Schwerpunkt auf die Darstellung von Moral und gesellschaftlichen Normen. Der Roman, der zum „Russischen Realismus“ gezählt wird, thematisiert insbesondere den um 1875 in Gesellschaft und Literatur leidenschaftlich diskutierten Komplex „Ehebruch“.

Das von Tolstoi als einem Kenner der russischen Adelsgesellschaft mit feiner Selbstironie geschriebene Werk hat sogar Pate für einen anerkannten Begriff in der Psychologie gestanden: Seit den 1990er Jahren gehört das „Anna-Karenina-Prinzip“ zum Begriffskatalog der Familienpsychologie. Tolstoi leitete seinen Roman mit einem Satz ein, nach dem alle glücklichen Familien sich gleichen, die unglücklichen Familien dagegen in ihrem Unglück durchweg verschieden seien. Das wissenschaftliche „Anna-Karenina-Prinzip“ meint daran anknüpfend, dass es Familienglück nur gebe, wenn alle entscheidenden Glücks-Faktoren, wie finanzielle Sicherheit, Liebe, religiöse und politische Harmonie, soziale Einbettung, Gesundheit und Kindererziehung, usw., gegeben seien. Die Störung lediglich eines einzigen dieser Faktoren reiche aus, um Unglück zu verursachen. „Anna Karenina“ lieferte auch den Stoff für mehr als ein Dutzend Kino- und TV-Filme. Am berühmtesten wurde die 1927er-Version mit Greta Garbo in der Titelrolle.

Wie viele andere russische Romane auch ist „Anna Karenina“ durch eine zunächst manche Leser irritierende Vielzahl von Haupt- und Nebenfiguren charakterisiert. Träger der miteinander verwobenen Handlungsstränge sind einige in Moskau und St. Petersburg lebende und durch Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen miteinander verbundene Adelsfamilien. Oberhaupt der Fürstenfamilie Oblonskij ist der hohe Staatsbeamte Stepan „Stiwa“ Oblonskij. An seiner Seite leiden seine Frau Darja „Dolly“ Oblonskaja und die gemeinsamen Kinder unter der autoritären Prinzipienhärte Stepans. Die Schwester von Stepan, Anna, hat den ebenfalls zum Staatsbeamtenadel gehörenden, wesentlich älteren Alexeij Karenin geheiratet. Karenin ist steif und neigt zum Sarkasmus, Anna dagegen wird als warmherzig und lebensfroh gezeichnet. Beide haben einen gemeinsamen Sohn, Sergeij „Serjoscha“. Zum Sozialkreis der Oblonskijs und Karenins gehört auch die Grafen-Familie Wronskij mit dem Großgrundbesitzer und ehemaligen Oberst Graf Alexeij Wronski. Außerdem spielen auch die Angehörigen der Familien Schtscherbazkij und Ljewin zum Teil relativ wichtige Rollen.

Anna Karenina führt eine von Freudlosigkeit und Leere geprägte Ehe. Ihre Schwägerin Dolly begehrt kurz und folgenlos gegen ihren Mann auf, der zwar aus Prinzip an der Institution der Ehe als mutmaßliches Fundament der russischen Gesellschaft festhält, aber nach Macho-Doppelmoral-Manier für sich das Recht in Anspruch nimmt, außereheliche Beziehungen zu führen. Genau dieses Recht nimmt auch Anna Karenina für sich in Anspruch, als sie sich in eine leidenschaftliche Beziehung mit dem charmanten und weichherzigen Grafen Alexeij Wronski stürzt. Kitty, eine Schwester von Dolly, ist unglücklich in Wronskij verliebt.
Die von Wronski abgewiesene Kitty wird aus Liebeskummer schwer krank und weist ihrerseits den ernsthaften Gutsbesitzer Ljewin ab, der um sie wirbt.

Als Anna ihrem Mann ihre Affäre gesteht, verlangt er zunächst lediglich die Verheimlichung der Beziehung, um einen Skandal zu vermeiden. Anna wird von Wronski schwanger und Karenin verlangt nun von ihr, sich von Wronski zu trennen oder sich scheiden zu lassen. Im Fall der Scheidung würde sie aber Sohn Serjoscha nicht mehr sehen dürfen. Die entsetzte Anna hält unter dem Eindruck der Drohung mit Kindesentzug die Ehe zum Schein aufrecht, trifft sich aber weiterhin heimlich mit Wronski. Sie wird im Zusammenhang mit der Geburt ihrer Tochter schwer krank und glaubt, sterben zu müssen. So versöhnt sie sich mit Karenin, woraufhin Wronski einen Selbstmordversuch begeht.

Nach ihrer Genesung trennt sich die in ihren Gefühlen zerrissene Anna erneut von Karenin, verbindet sich endgültig mit Wronski und fährt mit ihm fort. Ihren Sohn muss sie bei Karenin lassen. Gesellschaftlich geächtet lebt Anna Karenina schließlich vereinsamend auf dem Landgut von Wronski und trauert ihrem Sohn nach. Zu ihrer Tochter kann sie keine emotionale Beziehung aufbauen und mit Wronski kommt es immer häufiger zu Auseinandersetzungen. Zum Schluss wird die zunehmend depressive Anna von Wahnvorstellungen geplagt und begeht Selbstmord: Sie wirft sich vor einen Zug. Für Wronski wird das Leben durch Annas Tod sinnlos. Er lässt sich militärisch reaktivieren, um den Tod auf dem Schlachtfeld zu suchen.