Aufklärung | 1720 - 1800 | Literaturepoche

Die Epoche der Aufklärung beschreibt eine europaweite Geistesströmung, die um das Jahr 1720 einsetzte und im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem neuen Selbstverständnis des Bürgertums führte. Geprägt durch Rationalität, Bildung, Vernunft und Humanität läutete die Aufklärung den Aufbruch in eine neue Zeit ein. Ursprünglich aus der Philosophie begründete Denkanstöße, fanden rasch auch in der Literatur ihren Niederschlag. Das Bürgertum sollte durch Unterhaltung und Lehre von der Vorherrschaft des Adels befreit-, und zur Emanzipation geführt werden.

Historischer Kontext der Aufklärung
Die Gesellschaft des Absolutismus im 17. und 18. Jahrhundert wurde von einer uneingeschränkten Macht der Fürsten und Könige beeinflusst, die an den Höfen ein luxuriöses Leben auf Kosten der Bürger führten. Weitgehend entmachtete Adelige genossen weiterhin die Privilegien der Grundherrschaft sowie der Steuerfreiheit und verließen sich auf ihre gottgegebene Stellung in der Hierarchie. Allmählich bildete sich jedoch in den Städten ein wohlhabendes und gebildetes Bürgertum heraus, das die festgesetzten gesellschaftlichen Strukturen nicht akzeptieren wollte. Das frühe 18. Jahrhundert war daher geprägt von vielen Denkbewegungen der Politik, Philosophie und Soziologie, die zu einem neuen Selbstverständnis der Menschen führen sollten. Zweifel an den existierenden gesellschaftlichen Strukturen und eine intensive Reflexion über mögliche Veränderungen rückten ins Zentrum der philosophischen Bestrebungen. Immanuel Kant formulierte in seinem Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ das Problem der geistigen Unmündigkeit und leitete die Menschen dazu an, den Mut und Willen aufzubringen, ohne Einfluss anderer den eigenen Verstand einzusetzen und sich dadurch zu emanzipieren. Das Bürgertum nahm diese Leitgedanken allmählich an und weigerte sich, die von Gott gegebene Ständeordnung und Vorherrschaft des Adels zu akzeptieren. Auch die Konzentration auf die von der Kirche in den Mittelpunkt gestellte Existenz nach dem Tod und die Angst vor Hölle und Fegefeuer, sollten einer bewussten Orientierung der Menschen am irdischen Leben weichen.
Die Ideale der Aufklärung führten zu einem Umbruch in der Literatur, die sich nun von der höfischen, lediglich der Unterhaltung des Adels dienenden Dichtung abkehrte und darauf abzielte, die Bürger im Sinne der neuen Vernunft zu erziehen. Die akademisch gebildeten Schriftsteller befreiten sich von der finanziellen Abhängigkeit ihrer kirchlichen und adeligen Gönner und wurden als freischaffende Dichter tätig. Durch die Gründung von zahlreichen Buchhandlungen und Verlagen veränderte sich im 18. Jahrhundert auch der Buchmarkt, wodurch eine schnelle Verbreitung der aufklärerischen Literatur begünstigt wurde.

Themen und Literaturgattungen der Aufklärung
Der Anspruch der Schriftsteller, Werke zu verfassen, die die Bürger gleichzeitig unterhalten und zu Vernunft und Humanität erziehen sollten, führte zu einer intensiven Auseinandersetzung der Literaten mit den existierenden Literaturformen. Die neuen theoretischen Schriften rechneten mit der Barockliteratur ab und verwarfen deren strenge formale und thematische Vorgaben. Der frühaufklärerische Schriftsteller und Literaturtheoretiker Johann Christoph Gottsched begründete mit seiner Poetik „Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ aus dem Jahr 1729 die allmähliche Abkehr von den Einschränkungen der Barockdichtung und legte damit den Grundstein für eine neue Literatur. Der Dramatiker Gotthold Ephraim Lessing formulierte in seiner „Hamburgischen Dramaturgie“ die er in den Jahren 1767/68 erarbeitete, die Aufgabe des aufklärerischen Theaters, den Zuschauer sittlich zu läutern und ihm zu ermöglichen, Mitgefühl für die handelnden Personen auf der Bühne zu entwickeln.
Das 18. Jahrhundert erfuhr die Geburtsstunde des bürgerlichen Trauerspiels, dessen Dramatis Personae zwar gemäß der Ständeklausel nach wie vor dem Adel angehörten, sich aber gemäß der aufklärerischen Moral und Ideale verhielten und bürgerliche Charakterzüge trugen. Das Publikum sollte erkennen, dass der Mensch nicht nach seinem sozialen Status handeln, sondern über sich selbst hinauswachsen sollte. Das bürgerliche Trauerspiel vermischte Elemente der höfischen Tragödie und der Komödie und war vor allem durch einen guten Ausgang der Handlung gekennzeichnet. Wie die Dramatiker entfernten sich auch die Romanautoren von der höfischen Literatur und schufen zunehmend bürgerliche Helden.
Die Lyrik der Aufklärung hob sich stark von der Barockdichtung ab und stellte in Form von Hymnen, Balladen und Lehrgedichten vor allem subjektive Erlebnisse und Gefühlswelten dar. Im 18. Jahrhundert wurde auch die Fabel immer beliebter, die in kurzen Erzählungen in Vers- oder Prosaform erzieherische und belehrende Anleitungen zu einem moralischen Leben im Sinne der Aufklärung lieferte. Die Fabel sollte die Schwächen der Menschen aufzeigen und den Bürgern dadurch ein neues Selbstwertgefühl vermitteln. Sie übertrug menschliches Denken und Handeln innerhalb der Gesellschaft auf die Darstellung von beseelten Tieren und ließ den Leser auf prägnante und unterhaltsame Weise sinnvolle und nützliche Lebensweisheiten erkennen.

Vertreter und wichtige Werke der Aufklärung
Als der bedeutendste Schriftsteller des 18. Jahrhunderts gilt Gotthold Ephraim Lessing, der mit seinen bürgerlichen Trauerspielen maßgeblich zur Entwicklung eines deutschen Nationalstheaters beitrug. Seine wichtigsten Dramen „Nathan der Weise“, „Emilia Galotti“, „Minna von Barnhelm“ und „Miß Sarah Sampson“ zählen heute zu den großen deutschen Dramen, werden in den Schulen als Standardliteratur unterrichtet und gelangen nach wie vor in regelmäßigen Abständen zur Aufführung an Theatern des gesamten deutschsprachigen Raums. Lessing schuf mit seinen Bühnenwerken Plädoyers für Menschlichkeit sowie für gesellschaftliche und religiöse Toleranz. „Nathan der Weise“ gilt als erstes Werk der deutschen Literatur, das sich entschieden gegen antisemitische Vorurteile aussprach. Als Aufklärer bediente sich Lessing auch der Literaturgattung der Fabel. Er hatte im Jahr 1759 seine eigene theoretische Schrift über diese Gattung veröffentlicht und verfasste mit vielen kurzen Texten wie beispielsweise „Der Tanzbär“ Paradebeispiele der aufklärerischen Fabel.
Christoph Martin Wielands episches Werk „Die Geschichte des Agathon“ gilt als der bedeutendste bürgerliche Bildungsroman des 18. Jahrhunderts. Die antike Figur des jungen schwärmenden Agathons, durch Erfahrungen mit neidvollen und hinterlistigen Mitmenschen desillusioniert, findet in seinen Enttäuschungen schließlich mit der Hilfe eines Lehrers zu Vernunft und Tugend und dadurch zu einem neuen Sinn in seinem Leben. Am Beispiel der Erfahrungen von Agathon sollte der bürgerliche Leser in den Idealen der Aufklärungsepoche unterrichtet werden. Obwohl der Roman wegen seiner atheistischen Tendenzen zeitweise verboten wurde, fand er schon kurz nach seinem Erscheinen ein breites Publikum. Auch Christian Fürchtegott Gellerts erster bürgerlicher Roman „Das Leben der schwedischen Gräfin von G.“ erfreute sich zu Lebzeiten des Schriftstellers größter Popularität. Sein im Jahr 1845 veröffentlichtes Lustspiel „Die Betschwester“ prangert mit bissig-satirischen Untergriffen die kritiklose Frömmigkeit mancher Bürger seiner Zeit an, die sich unter der Oberfläche als heuchlerisch, geizig und charakterlos entpuppen. Neben anderen Lustspielen im Stil der französischen Comédie larmoyante wie „Die zärtlichen Schwestern“ oder „Das Los in der Lotterie“ und einer Sammlung von Fabeln und Erzählungen verfasste Gellert auch eine Reihe von Liedern, die später von namhaften Komponisten wie Haydn oder Beethoven vertont wurden.
Johann Christoph Gottsched, der mit seiner Poetik der „Critischen Dichtkunst“ den Grundstein für die bürgerliche Literatur und vor allem für das Drama der Aufklärung gelegt hatte, verfasste mit dem Trauerspiel „Der sterbende Cato“ im Jahr 1832 die erste Tragödie in deutscher Sprache, die sich genau an die Vorgaben seiner literaturtheoretischen Schrift hielt und ein durchschlagender Erfolg wurde. Gottscheds frühaufklärerische dramatische Dichtung wurde jedoch wenige Jahrzehnte später von Lessing und den Dichtern des Sturm und Drang vehement abgelehnt.