Barock | 1600 - 1720 | Literaturepoche

Die deutsche Barockliteratur entwickelte sich allmählich aus den sozialen Gegebenheiten, die der höfische Absolutismus und die Kriegsgeschehnisse des 17. Jahrhunderts mit sich brachten. Das Frühbarock setzt etwa um das Jahr 1600 ein, die späte Phase der Epoche endet um 1770. Die bedeutenden lyrischen und epischen Werke des Barock griffen den durch die politischen Wirren und sozialen Missstände gekennzeichneten Verfall der Gesellschaft auf und sollten die unterdrückten Menschen des Volkes dazu anleiten, das kurze irdische Dasein bestmöglich zu Nutzen. Der höfische Roman und die aus dem Französischen und Italienischen übersetzten Tragödien dienten hingegen der Unterhaltung der Adeligen, die in den prachtvollen Schlössern fernab von allem Elend ein glanzvolles Leben führten.

Historischer Kontext
Das Barockzeitalter war maßgeblich geprägt von dem starken Gegensatz zwischen dem ausgelassenen und verschwenderischen Leben der absolutistischen höfischen Gesellschaft und der einfachen, kargen Existenz der niederen Stände. Die soziale Ungerechtigkeit, Leibeigenschaft, hohe Steuern, die Massaker des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1618 und 1648 und die wiederkehrenden Pestepidemien brachten ein unermessliches Leid der Menschen, deren Weltbild durch die Glaubenskriege zwischen den Protestanten und Calvinisten noch mehr aus den Fugen geriet. Krieg und Pest verursachten den Tod von beinahe einem Drittel der deutschen Bevölkerung und führten zu einem immensen kulturellen Verfall im Barock. Die Allgegenwart von Tod, Orientierungslosigkeit und Armut wurde von den Schriftstellern aufgegriffen, die sich in ihrer Literatur vorrangig mit dem Motiv der Vergänglichkeit auseinandersetzten und den Menschen mit der Darstellung starker Symbole innerhalb fester stilistischer Strukturen eine leicht verständliche Anleitung zu einem besseren Leben liefern wollten.

Stilelemente und Literaturgattungen des Barock
Mit seinem 1624 veröffentlichten „Buch von der deutschen Poeterey“ schuf der Schriftsteller Martin Optiz eine erste deutsche Poetik, als sich die Dichter allmählich von der in der Renaissance verwendeten Literatursprache Latein abwandten und zu dem Gebrauch der deutschen Sprache übergingen. Der Literaturreformer Opitz führte in seiner Poetik genaue Regeln und Vorschriften für Dichter aller Literaturgattungen an und setzte in der Lyrik das alternierende Versprinzip mit einer Wechselwirkung von Jambus und Trochäus als vorherrschende Form durch. Opitz bestimmte auch im Wesentlichen die Verwendung der Themen, nach denen sich die jeweilige Textart zu richten hatte.
Die gewählten Motive waren in der Barockliteratur von einer Vorherrschaft der Antithetik geprägt, die die Zerrissenheit der Gesellschaft auf symbolische Weise zu verkörpern versuchte und die pessimistische Weltanschauung der Dichter verdeutlichte. Die Darstellung starker Gegensätze wie Gesundheit und Krankheit, Reichtum und Armut, Spiel und Ernst, Diesseits und Jenseits, Erotik und Askese oder Lebensfreude und Todessehnsucht symbolisierte die Vergänglichkeit der irdischen Existenz, die durch das für den Barock bedeutende Vanitas-Motiv gekennzeichnet war. Literarische Zuwendung zur Vergänglichkeit allen Lebens führte dazu, dass sich die Barockschriftsteller auch intensiv mit Religion und Gottergebenheit sowie der Flucht vor dem Dasein auseinandersetzten. Die oft behandelten Leitsprüche „Carpe Diem“ und „Memento Mori“ sollten die Menschen daran erinnern, jeden Tag ihrer vergänglichen Existenz zu genießen und die Gegenwart bewusst und bestmöglich zu leben. Wiederkehrende Metaphern wie rinnende Sanduhren, gelöschte Flammen, Verwesung von Pflanzen und Obst, Totentänze, Skelette oder nachtaktive Tiere warnten vor der Allmacht des Todes und wiesen auf die Vergänglichkeit des Lebens hin.
Die Dichter des Barock hielten sich genau an Opitz’ Vorgaben und verarbeiteten die Vergänglichkeits-Motive und gegensätzlichen Themen vor allem zu Sonetten, einer in dieser Epoche weit verbreiteten Gedichtform, die immer aus insgesamt vierzehn Zeilen, aufgeteilt in zwei Quartett- und zwei Terzett-Strophen besteht. Beliebt unter den Schriftstellern waren auch das sogenannte Epigramm, eine in Versen verfasste erzählerische Kurzform sowie das Emblem, eine Mischform aus bildnerischer Darstellung und dazu passendem Text, die auf die Renaissance und die Zeit des Humanismus zurückgeht. Das Emblem bestand aus dem Motto, einer gedruckten Graphik und der oft mit humorvollem Inhalt versehenen Bildunterschrift, meist in Form eines Epigramms. Die schon seit dem frühen Mittelalter existente lyrische Form der Schäferdichtung, die ein unrealistisches Bild vom Leben der Hirten zeichnete, wurde von den barocken Dichtern ebenfalls aufgegriffen und erfreute sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Auch das Kirchenlied war im Barock eine weit verbreitete Gattung der populären Literatur.
Die Prosadichtung des Barock umfasste neben zahlreichen nicht-fiktiven Abhandlungen wie Reisebeschreibungen, journalistischen Werken und Predigten auch Romane, Satiren und Schwänke. Während der historische Roman überwiegend aus dem Ausland stammte und in Übersetzungen ausschließlich von der höfischen Gesellschaft gelesen wurde, wurden der Schäferroman und der Schelmenroman die bevorzugte Literatur des gemeinen Volkes. Der Themenkomplex dieser „niederen“ Prosaliteratur umfasste Liebesverwirrungen und -konflikte sowie fiktive Autobiographien und subjektive Schilderungen von Helden der unteren Gesellschaftsschichten, die ein von dem adeligen Stand unterdrücktes Leben führen.
Auf dem Gebiet der Theaterliteratur konnten die deutschen Schriftsteller den großen Dramatikern jener Zeit, wie etwa Molière, Monteverdi oder Corneille kaum erwähnenswerte Werke entgegensetzen, da es die Institution eines Nationaltheaters, wie dies in Frankreich der Fall, nicht gab. Daher beschränkten sich die Theaterwerke des deutschen Barock auf die in würdevoller Sprache verfassten höfischen Tragödien für den Adel und auf im Ausdruck einfach gehaltene komödiantische Laienspiele und Wandertheaterstücke für das Volk. Als eine der wichtigsten Theaterformen galt im Barock das sogenannte Jesuiten- oder Ordensdrama, das hauptsächlich biblische Geschichten zum Inhalt hatte und sowohl Stilelemente des lateinischen Theaters der Humanisten als auch des barocken Trauerspiels aufwies.

Vertreter und Werke der Barockliteratur
Die Sonette „Thränen des Vaterlandes Anno 1636“ und „Menschliches Elende“ von Andreas Gryphius, dem wichtigsten Lyriker des deutschen Barock gelten als Paradesbeispiele für die Beschreibung der Qualen der Bevölkerung. Ganz im Sinne der barocken Vanitas beschrieb Gryphius die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz mit der Verwendung zahlreicher Metaphern. Wie Gryphius hielt sich auch der Dichter Paul Fleming, der sich in seinen herausragenden Liebensgedichten überwiegend mit der Schönheit des menschlichen Wesens beschäftigte, genau an die stilistischen Vorgaben von Martin Opitz. Georg Rudolf Weckherlins Sammlung von „Oden und Gesängen“ aus dem Jahr 1618 markierte den Beginn einer Kunstdichtung in neuhochdeutscher Sprache. Dichter, die sich ebenfalls intensiv mit dem Vanitas-Motiv auseinandersetzen, waren Theodor Kornfeld und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Die Sammlung berühmter Epigramme und Sprüche mit dem Titel „Cherubinischer Wandersmann“ des Theologen und Lyrikers Angelus Silesius sollte die Menschen in einer Zeit der religiösen Glaubenskämpfe dazu anregen, ihren Weg zu Gott im Sinne des Katholizismus zu finden. Der wichtigste Schriftsteller des ebenfalls tiefreligiösen Jesuitendramas war der Dichter Jakob Biedermann, der in seinen Bühnenwerken überwiegend die Vorbildwirkung von Eremiten und christlichen Märtyrern betonte. Biedermanns Antwort auf die zerrissene Welt war die in seinen Dramen propagierte unbedingte Hinwendung zum Christentum und zu Gott.
Als wohl bekanntester Schelmenroman und bedeutendstes Prosawerk des Barock gilt „Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ von Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen, der den Lebensweg des einfältigen Viehhirten Melchior Sternfels von Fuchshaim nachzeichnet, der sich nach dem Dienst als Soldat im Dreißigjährigen Krieg allmählich von der Welt abkehrt und als alter Mann zum Einsiedler wird. Grimmelshausen verfasste in ähnlicher Tradition auch etliche andere Romane des deutschen Barock, wie etwa “Das wunderbarliche Vogel-Nest“, „Rathskübel Plutonis Oder die Kunst reich zu werden“, „Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche“ oder die „Histori vom keuschen Joseph“.