Reformation | 1517-1648 | Literaturepoche

Die Reformation beschreibt eine religiöse Geisteshaltung innerhalb der Epoche der Renaissance, die sich in der Literatur des frühen 16. Jahrhunderts niederschlug und durch eine Auseinandersetzung der Humanisten mit den bestehenden kirchlichen Traditionen ausgelöst wurde. Der Begriff für diese Strömung leitet sich vom lateinischen Wort „reformatio“ ab, das übersetzt Erneuerung oder Umgestaltung bedeutet und die Bestreben der Humanisten ausdrückt, die römisch-katholische Kirche zu modernisieren. Die Reformation wurde die folgenreichste Bewegung innerhalb des Humanismus und führte letztlich zu einer Spaltung des Christentums in Westeuropa, die in weiterer Folge viele Glaubenskriege zwischen den Anhängern der neuen Konfessionen auslöste.

Historischer Kontext der Reformation
Unter dem Einfluss der Gelehrten, die nach der Eroberung Griechenlands durch die Türken als Flüchtlinge nach Italien gelangten, begann die gebildete Schicht im 15. Jahrhundert, sich mit den antiken Schriften zu befassen. Durch das Studium der Philosophie, Literatur und Kunst der alten Römer und Griechen entwickelten die europäischen Gelehrten eine kritischere Haltung gegenüber der zeitgenössischen gesellschaftspolitischen und religiösen Zustände. Unter dem Einfluss bahnbrechender neuer Erkenntnisse der Astronomie und dem Bestreben, die finsteren Jahrhunderte des Mittelalters zu überwinden, suchten die Gelehrten nach neuen Ansätzen, die die allgemein gültige Auffassung der römisch-katholischen Kirche in ihren Grundfesten erschüttern sollten. Den Gelehrten ging es vor allem um eine Wissenschaft, die sich von der Vormundschaft der Kirchenväter befreien sollte. Die Humanisten in Deutschland beschäftigten sich mit der Lektüre der alten Bibelfassungen und kirchlichen Schriften und entwickelten allmählich ihre eigenen Gedankenansätze. Von Deutschland und der Schweiz ausgehend gelangten die neuen Ideen allmählich auch nach Frankreich, England und Schottland.
Die neue Bildungsschicht in Deutschland bestand aus weltlichen und kirchlichen Gelehrten unterschiedlicher sozialer Herkunft, die ihre Theorien, Meinungen und Erkenntnisse in den Humanistenkreisen austauschten und als Lehrer an den deutschen Universitäten an die Studenten weitergaben. Der im Jahr 1455 von Johannes Gutenberg erfundene Buchdruck löste eine wahre Medienrevolution aus, die den deutschen Humanisten ermöglichte, ihre neuen Thesen und Schriften unter den Massen zu verbreiten. Die dauernde Abwesenheit von Kaiser Karl V., der mit Frankreich in den Italienkriegen um die Vormachtstellung der Habsburger in Europa kämpfte, erleichterte die Ausbreitung der Reformation zusätzlich.

Inhalte und Merkmale der reformatorischen Literatur
Die Humanisten schrieben ihre Werke im Gegensatz zu den Schriftstellern der Volksliteratur fast ausschließlich in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache. Dadurch blieb die Lektüre der humanistischen Schriften bis auf wenige Ausnahmen einem ausgewählten Kreis an Gelehrten vorbehalten. Die Reformatoren hingegen, die ihre Thesen und Erneuerungsvorschläge unter dem Volk verbreiten wollten, begannen allmählich, ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Als erster Reformator verbreitete Martin Luther, der das Potential des Buchdruckes als Massenmedium erkannt hatte, seine Schriften bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich auf Deutsch, was maßgeblich zu seinem durchschlagenden Erfolg beitrug. Durch Luther wurde die kursächsische Hofsprache zur deutschen Einheitssprache in Wort und Schrift erhoben. Die literarischen Werke der Reformatoren stellten hauptsächlich Anleitungen für Gläubige und Gottesdienste, theologische Abhandlungen und kämpferische Streitschriften sowie politische Publikationen dar, mit deren Veröffentlichung die Reformatoren die althergebrachte ständische Gesellschaftsordnung und die gewaltsame Dominanz des römisch-katholischen Klerus anzugreifen versuchten.

Bedeutende Werke und Vertreter der Reformationszeit
Das mit Abstand bedeutendste Werk der Reformation ist die in den Jahren 1522 und 1534 veröffentlichte Bibelübersetzung von Martin Luther. Der Mönch und Theologieprofessor der Universität Wittenberg wurde aufgrund seiner 95 Thesen gegen den Ablasshandel und seiner Disputation in Leipzig im Jahr 1519 mit einem Bann der römisch-katholischen Kirche belegt. Da er die Bannbulle öffentlich verbrannte und eine darauffolgende Einladung von Kaiser Karl V. nach Worms ausschlug, wurde wegen seines Ladungsungehorsams auch die Reichsacht über ihn verhängt. Unter dem Schutz Friedrich des Weisen schuf Luther während seines Aufenthalts auf dessen Eisenacher Wartburg die erste deutsche Übersetzung des Alten und Neuen Testaments. In der Zeit auf der Wartburg veröffentlichte er auch einige Schriften, die seine Ideen für eine neue Kirche enthielten. Zu Luthers wichtigsten Abhandlungen zählen die Messordnung „Formula Missae et Communiionis pro ecclesia Wittenbergensi“, „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“, in der er die Reduktion der Sakramente auf die Taufe, das Abendmahl und die Beichte forderte, sowie das Werk „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“, in der er den Adel zur Verbreitung des protestantischen Gedankengutes aufforderte. In dem Werk „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ betonte er seine Meinung, ein gläubiger Mensch sei seinen Mitmenschen lediglich durch die Liebe, niemals jedoch durch seine religiöse Zugehörigkeit untertan. Im Sinne des reformatorischen Gedankengutes trat Luther auch als Verfasser zahlreicher deutschsprachiger Kirchenlieder in den Vordergrund, da er die Musik als bestes Mittel gegen den Teufel und den wichtigsten Träger des neuen Glaubens verstand. Neben zahlreichen Bearbeitungen von Hymnen schuf Luther Choräle wie „Gelobet seist du, Jesu Christ“, „Christ ist erstanden“, „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Herr Gott, dich loben wir“, die er im Jahr 1523 erstmals im „Achtliederbuch“ veröffentlichte und die eine Entwicklung der geistlichen Lieder in Europa maßgeblich vorantrieben.

Neben Luther trugen auch andere deutsche Gelehrte zur Verbreitung des reformatorischen Ideenkomplexes bei. Der humanistische Dichter Philipp Melanchthon war eine ebenso treibende Kraft der Reformation wie Luther und wurde von seinen Zeitgenossen als „Lehrer Deutschlands“ bezeichnet, der das Bildungswesen durch sein schriftstellerisches Wirken modernisierte. Seine Lehrbücher für zahlreiche Fächer wie Physik, Geschichte, Astrologie oder Geographie bildeten im 16. Jahrhundert die Basis des Unterrichtsstoffes in vielen Schulen Deutschlands. Darüber hinaus war Melanchthon für die linguistische Korrektur der Lutherbibel verantwortlich und verfasste ein Jahr nach deren Veröffentlichung, inspiriert durch die enge Zusammenarbeit mit Luther seine eigene theologische Abhandlung „Loci communes rerum theologicarum“, die als erste Dogmatik in der Geschichte des evangelischen Glaubens gilt. Sein unentwegter Einsatz gegen Gewalt innerhalb der Kirche und für das reformatorische Gedankengut fand seine Niederschrift auch in den 28 Artikeln der „Confessio Augustana“ und deren Nachtrag „Tractatus de potestate et primatu Papae“. Die Lehren Luthers fanden in der Schweiz in den humanistisch geprägten Kirchenlehren Huldrych Zwinglis, der das Fastengebot „Von Erkiesen und Fryheit der Spysen“ verfasste, sowie in Johannes Calvin und seinem Hauptwerk „“Institutio Christianae Religionis“ ihre Entsprechung.

Der deutsche Humanist und Reichsritter Ulrich von Hutten sah sich nicht nur als Kirchenreformator, sondern auch als Dichter dieser Bewegung. Mit seiner 1511 erschienenen Poetik „De Arte Versificandi“ und zahlreichen politischen Schriften begründete er seinen Ruf als der wichtigste neulateinische Schriftsteller der Reformation, dessen nationalistisch gefärbte Propagandawerke sich nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland schnell verbreiteten. Der Theologe Thomas Müntzer setzte sich in seinen Schriften wie der „Hochverursachten Schutzrede“ für die Befreiung des Bauernstandes und die Unterstützung der Aufständischen ein. Er forderte die Aufhebung von Privilegien der Bürger und Adeligen, die Einrichtung von Heimen für Obdachlose und Armenausspeisungen sowie die Auflösung von Klöstern. Wegen seines sozialen Engagements und seiner revolutionären Forderungen wurde Thomas Müntzer schließlich im Jahr 1525 hingerichtet.