Renaissance | 1470 - 1600 | Literaturepoche

Das Zeitalter der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert brachte eine Wiederbelebung der antiken Schriften, Philosophie und Kunst. Der Begriff für diese Kulturepoche, die sich von Italien aus in ganz Europa verbreitete, wurde erst nachträglich im 19. Jahrhundert von den Kunsthistorikern definiert und auch auf die literarischen Strömungen jener Zeit übertragen. In der Renaissance (vom franz. renaissance = Wiedergeburt) fand eine Überwindung der mittelalterlichen Auffassungen von der Welt und der politischen Strukturen statt, die die Gesellschaft in die Neuzeit führte. Es entwickelte sich eine kritische Geisteshaltung, die den Menschen ins Zentrum stellte und eine religiöse Erneuerung und eine Emanzipation von der Allmacht der Kirche anstrebte, die die dunkle Zeit des Mittelalters gekennzeichnet hatte. Die Renaissance wurde daher durch eine Rückbesinnung auf die Geisteshaltung, Kunst und Literatur der Römer und Griechen, insbesondere auf Platon und Cicero geprägt. Die gelehrten Humanisten der Renaissance strebten danach, den Menschen Bildung zu vermitteln und ihnen dadurch zu ermöglichen, ein von Tugend und Wissen erfülltes Leben zu führen. Gleichzeitig entwickelte sich durch das aufkommende städtische Bürgertum auch eine neue Renaissance-Literatur, die hauptsächlich der Unterhaltung und satirischen Bloßstellung der Gepflogenheiten des häuslichen Lebens diente.

Historischer Kontext
Das 15. Jahrhundert war maßgeblich durch große wissenschaftliche Errungenschaften geprägt, die die alten Vorstellungen des Mittelalters in ihren Grundannahmen erschütterten. Kopernikus änderte mit seinem heliozentrischen Weltbild das Verständnis der Menschen ebenso wie Johannes Kepler mit der Planetenbewegung oder Christopher Columbus mit seiner Entdeckung Amerikas. Dadurch bewegten sich auch die Schriftsteller von den alten literarischen Formen der Minnedichtung, des höfischen Epos und der Heldendichtung allmählich weg und suchten nach neuen Möglichkeiten einer Ausdrucksweise, die dem neuen Gedankengut und den Veränderungen innerhalb der Gesellschaft besser entsprach.
Der Theologe Martin Luther löste mit seinen religiösen Thesen im frühen 16. Jahrhundert die Reformation aus und trug durch seine Bibelübersetzung (1534 fertiggestellt) wesentlich zur Etablierung der Literatur in neuhochdeutscher Sprache bei. Nachdem Johannes Gutenberg um das Jahr 1455 den Buchdruck erfunden hatte, setzte allmählich eine Verbreitung deutschsprachiger Literatur ein. Während die lateinischen Schriften der Gelehrten ausschließlich einer kleinen Anzahl von Gebildeten vorbehalten war, kamen in der frühen Renaissance auch nach und nach unterhaltende Werke in Form von volkstümlicher Prosa und Dramatik, vor allem satirische Erzählungen über menschliche Torheiten und religiöse Abhandlungen in Streitschriften in Umlauf. Handel, Handwerk und Gewerbe brachten den Bürgern der gut organisierten Städte neuen Wohlstand. Das städtische Bürgertum, das auf engstem Raum innerhalb der befestigten Stadtmauern lebte und strengen moralischen Kodizes unterworfen war, entwickelte sich in der Zeit der Renaissance zu einer neuen, kulturtragenden Gesellschaftsschicht, die eine weite Verbreitung von deutschsprachigen Büchern ermöglichte.

Themen und Literaturformen der Renaissance
Das Bedürfnis der einer rigiden Gesellschaftsordnung unterworfenen Bürger der Städte nach Unterhaltung und damit nach einem geistigen Ventil, um den gesellschaftlichen Zwängen zu entfliehen, brachte im 15. und 16. Jahrhundert eine Vielzahl von neuen Ausdrucksformen der Literatur mit sich. Schwänke, Volksbücher und Fastnachtspiele unterhielten die Kleinbürger mit typisch alltäglichen Problemen und der Darstellung eines zügellosen Lebens. Bevorzugte Themen der Schriftsteller in der Phase der Renaissance, die das Bürgertum mit ihren Werken unterhielten, waren liebenshungrige Kleriker, die Betrügereien der Kaufmänner und Ärzte, verführerische Prostituierte, Ehebruch und häusliche Streitigkeiten. Auch die Prototypen der alten Kupplerin, des einfältigen Bauern und des betrunkenen Ehemannes wurden in der Renaissance weit verbreitete und beliebte Literaturmotive. Die Handlungen spielten sich meist innerhalb eines narrativen Rahmens ab, der die Verspottung eines einfältigen Bauern durch einen gerissenen Bürger in den Vordergrund stellte. Die Charaktere wurden dabei nur skizzenhaft gestaltet und die Handlungen stellten keinerlei Anspruch auf Wahrheitsgehalt. Diese Themen fanden vor allem in Schwänken ihre Darstellung, die die Bürger gerne zum Zeitvertreib auf ihren langen Reisen lasen. Der Schwank als neue Gattung trat in Form von lustigen Kurzgeschichten hervor, die sowohl in Prosa, als auch in Versen verfasst wurden. Die Inhalte der Schwänke fanden im weit verbreiteten Fastnachtspiel auch in Dialogform ihre Darstellung. Das Fastnachtspiel entwickelte sich aus Umzügen kostümierter Menschen, die derbe und lustige Sprüche vortrugen, allmählich zu dialogischen Darbietungen von Spielgruppen. Schauspieler begleiteten die Rezitation der Texte durch die schonungslose Verkörperung von Prügelszenen, sexuellen Handlungen und humorvollen Verwechslungen. Die explizite Derbheit der Fastnachtspiele, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden, brachte der Gattung den Begriff „Grobianismus“ ein. Die nicht minder beliebten Volksbücher hingegen behandelten die turbulenten Erlebnisse bestimmter Figuren aus dem Bürgertum und der ländlichen Bauerngesellschaft, die sich auf einzigartige und oft schelmische Weise durchs Leben schlugen.

Werke und Vertreter der Renaissance-Literatur
Das bekannteste Volksbuch jener Renaissancezeit ist die Schwanksammlung über „Till Eulenspiegel“, die im Jahr 1515 erstmals in hochdeutscher Sprache veröffentlicht wurde. Im Zentrum der Handlung steht der Bauernknecht und Landstreicher Till Eulenspiegel, der den städtischen Bürgern Streiche spielt, um sie für ihre herablassende Einstellung der Landbevölkerung gegenüber zu bestrafen. Der im Jahr 1597 erschienene Schwankroman „Das Lalenbuch. Wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte und bisher unbeschriebene Geschichten und Taten der Lalen zu Laleburg“, das später unter dem Titel „Die Schildbürger“ bekannt und dem Schriftsteller Johann Friedrich von Schönberg zugeschrieben wurde, ist eine humorvolle Sammlung von schonungslosen und mitunter derben Berichten der schlauen Kleinbürger von Schilda und ihrer Streiche und Torheiten gegen die Verwaltungsorgane ihrer Heimatstadt. Auch Jörg Wickrams „Rollenwagenbüchlein“ enthielt eine Sammlung von Schwänken, die sich auf die skizzenhafte Typisierung von unterschiedlichen Rollenbildern beschränkten und durch eine schonungslose Obszönität gekennzeichnet waren. Ähnliche bürgerliche Schelmendarstellungen sind unter anderem auch aus dem hessischen Gebiet in Form der „Schwarzenbörner Streiche“ überliefert. Die allgegenwärtige Angst vor dem Teufel behandelt das im Jahr 1587 erschienene Volksbuch „Doktor Faustus“, das die wahren Begebenheiten des historischen Gelehrten und angeblichen Hexenmeisters Georg Faust aus Wittlingen verarbeitete und als Ermahnung der Menschen, sich nicht von Gott abzuwenden, verstanden werden wollte.
Auf dem Gebiet der Fastnachtspiele ist vor allem der Nürnberger Dichter Hans Sachs erwähnenswert. Mit seinen dramatischen Werken wie „Der schwangere Bauer“, „Das Kälberbrüten“, „Das Hofgesinn der Venus“, „Der Krämerskorb“ oder „Der fahrend Schüler im Paradeiß“ lieferte Sachs ein wichtiges Zeugnis des bürgerlichen Lebens des 16. Jahrhunderts. Der bürgerliche Dichter, der neben seiner schriftstellerischen Arbeit als wohlhabender Schuhmacher tätig war, bemühte sich, die Fastnachtspiele von ihrer rohen Derbheit zu befreien und schuf in seinen Komödien satirische Darstellungen der menschlichen Schwächen. Hans Sachs gilt auch als der talentierteste der Nürnberger Meistersinger. Seine Lieder und Gedichte wie „Die Wittembergische Nachtigall“ oder „Das bittersüße eheliche Leben“ werden heute zu den bedeutendsten lyrischen Arbeiten des 16. Jahrhunderts gezählt. Von den bürgerlichen Dichtern und Sängern, die sich in den Meistersinger-Zünften zusammenschlossen, feierten auch Hans Rosenplüt und Cyriacus Spangenberg mit ihren Fastnachtspielen, Schwänken und Liedern große Erfolge während der Zeit der Renaissance.