Romantik | 1795 - 1840 | Literaturepoche

Unter dem Begriff Romantik wird die kunstgeschichtliche und literarische Epoche zwischen den Jahren 1795 und 1848 zusammengefasst, die sich hauptsächlich mit der Darstellung von alten Volkssagen, mittelalterlichen Legenden, Naturlandschaften und menschlichen Sehnsüchten befasste und sich von Deutschland aus in ganz Europa ausbreitete. Die deutsche Romantik wird in drei Abschnitte unterteilt, die sich aus den wechselnden Zentren der Literaturszene ergaben. Die in Jena von den Schriftstellern Novalis, August Wilhelm und Friedrich Schlegel sowie Schelling und Humboldt geprägte Frühromantik brachte erste deutsche Übersetzungen der Texte Shakespeares hervor und dauerte nur wenige Jahre. Die Heidelberger Hochromantik wurde vom Dichterkreis um Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano beeinflusst und ist vor allem für die Märchensammlung der Brüder Grimm und die Förderung der volksnahen Poesie bedeutsam. Die Spätromantik in Berlin, die im Jahr 1816 einsetzte, brachte die heute bekanntesten romantischen Schriftsteller E.T.A. Hoffmann und Ludwig Tieck hervor.

Historischer Kontext
Obwohl das Zeitalter der Romantiker mit vielen politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, Kriegen und einer Neuordnung der europäischen Territorien einherging, stellten die Romantiker kaum Anspruch darauf, gesellschaftskritische oder gar politische Literatur zu schaffen. Stattdessen stellten sie sich vorrangig gegen die mit der Aufklärung einhergehenden philosophischen und wissenschaftlichen Bestrebungen und die Rationalität, die sie für eine Bedrohung der Empfindsamkeit hielten. Vor allem die Naturwissenschaft war den Künstlern ein Dorn im Auge, denn sie stellte den Anspruch, alle menschlichen und natürlichen Vorgänge zu analysieren. Die Romantiker kritisierten mit ihrer naturbetonten, abenteuerlichen und fantastischen Literatur vor allem die aufklärerische Vernunft. Auch gegen die auf Nutzen, Sittlichkeit und die langsam einsetzende Industrialisierung orientierte Gesellschaft versuchten sich die Romantiker mit ihrer Literatur zu stellen. Statt gesellschaftlichem Streben propagierten sie die Suche nach dem eigenen Ich im Einklang mit Natur und Mystik.

Stilmittel und gestalterische Elemente der Romantik
Die Struktur der romantischen Werke folgte keinen festgesetzten Regeln, sondern war durch die Vermischung der einzelnen Gattungen gekennzeichnet. Die von Schlegel als Universalpoesie bezeichnete Literatur der Romantiker brachte neue, offene Formen und hob die Grenzen zwischen Lyrik, Epik und Dramatik auf. Die Lyrik dieser Epoche bediente sich einer inhaltlichen Einfachheit mit Bezug zu volkstümlichen Liedern und Hymnen. Dadurch wurde eine Poesie geschaffen, die den Traum und die Realität, das bürgerliche Leben und die Poesie, den Dichter und sein Publikum miteinander verbinden sollte.
Die Romantiker bedienten sich stets einer für die Epoche bezeichnenden Ironie, die ihnen erlaubte, in ihren Werken abrupte Stimmungswechsel zu erzeugen. Eine starke Symbolkraft und Künstlichkeit der Sprache, düstere Stimmungen, literarische Bearbeitung von mittelalterlichen Sagen, Legenden, Volkslieder und die neue Gattung des Kunstmärchens, wurden zu den zentralen Motiven der Romantik. Außerdem kam es in der Literatur zur Idealisierung der vergangenen Zeit des Mittelalters, verbunden mit einem Heldentum, dass weniger durch narzisstische Ansichten bestimmt, sondern eher auf die eigene Entwicklung bedacht war. So wurden Motive wie Fernweh, Reisen, Sehnsucht, Naturdarstellungen, Jahreszeiten und die Tiefe der Psyche zu den wichtigsten Darstellungselementen der Romantik.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam unter dem Einfluss der britischen Romantiker auch allmählich die Schauerliteratur auf, die unter dem Begriff „Schwarze Romantik“ in die Literaturgeschichte einging. Portraits von wahnhaften Figuren wurden das Grundmotiv der schwarzen Romantik. Die Werke der Schauerliteratur des frühen 19. Jahrhunderts setzten sich ganz im Sinne der romantischen Auflehnung gegen die Rationalität der Aufklärung mit Themen wie Parapsychologie, albtraumhaften Erscheinungen, Drogenkonsum, Todessehnsüchten, Melancholie und überzeichneter, bisweilen auch perverser Formen annehmender Erotik auseinander. Viele der in den Schauerromanen gezeichneten Geschichten enden mit Tod, Selbstmord oder Besessenheit. Die Schauplätze der Handlungen stellten beklemmende Orte wie Spukschlösser, Kellergewölbe, Ruinen und Friedhöfe dar. Ablehnung der wissenschaftlichen Bestrebungen der Gesellschaft des frühen 19. Jahrhundert verarbeiteten die Romantiker in Darstellungen von bizarren Wissenschaftlern. Die wissenschaftliche Suche nach der ultimativen Erkenntnis, wie zuvor in der Literaturgeschichte intensiv im Fauststoff behandelt, lehnten die Romantiker gänzlich ab.

Werke und Vertreter der Romantik
Die Poesie wurde zum wichtigsten Gestaltungsmittel, das den Romantikern gestattete, ihre emotionale Sicht und die Betonung auf das Unterbewusstsein auszudrücken. Ludwig Uhlands, Clemens Brentanos, Novalis’ und Joseph Freiherr von Eichendorffs Naturpoesie zeichnete eine ideale und harmonische Welt, in der Freiheit, Liebe, Freundschaft, Genialität und Subjektivität dominierten. Als unangefochtener König der deutschen Romantik gilt unter Literaturhistorikern heute der Schriftsteller Ludwig Tieck, der neben zahlreichen wichtigen deutschen Übersetzungen der Dramen William Shakespeares und Novellen und Erzählungen vor allem auf dem Gebiet der Dramaturgie bahnbrechende Neuerungen schuf. Seine romantischen Komödien „Der gestiefelte Kater“ und „Die verkehrte Welt“ sind erstmals mit Elementen des antiillusionistischen Theaters versehen, die im zwanzigsten Jahrhundert von Dramatikern wie Thornton Wilder, Bertolt Brecht oder Max Frisch aufgegriffen und weiterentwickelt wurden. Als Stück im Stück werden in Tiecks Komödien Handlungsstränge miteinander verwoben, die auf fiktiven Theateraufführungen beruhen und zu einer unterhaltsamen Interaktion des Bühnengeschehens und der ebenfalls fiktiven Ebene der Theaterzuschauer führen. Weitere bedeutende Bühnenwerke Tiecks sind das Lustspiel „Kaiser Oktavius“ und die Tragödie „Leben und Tod des kleinen Rotkäppchens“, der wie „Der gestiefelte Kater“ ganz im Sinne der Romantik die Bearbeitung von Märchenstoffen zugrunde liegt.
Nach Shakespeares Vorbild schufen die Romantiker auch einige historische Dramen, in die sie epische Elemente und Volkslieder einbanden. Die Stücke waren vorrangig als Lesedramen konzipiert und eigneten sich wegen der Vermischung der literarischen Gattungen nur schwer für Inszenierungen. Neben Tiecks Komödien wurden auch Clemens Brentanos Historiendramen wie „Die Gründung Prags“ oder Eichendorffs „Der letzte Held von Marienburg“ wichtige dramatische Werke dieser Epoche. Als Paradebeispiele des für die Frühromantik charakteristischen Bildungs- und Entwicklungsromans gelten Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart“ oder Novalis Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“. Nach der Zeit der Frühromantik wuchs jedoch allmählich das Interesse an Trivialliteratur wie dem Schauerroman oder epischen Kurzformen wie der Novelle oder Erzählung. Neben Tiecks Novellen „Die Vogelscheuche“, „Die Verlobung“ oder „Eine Sommerreise“ ist auch seine Erzählung „Des Lebens Überfluß“ thematisch gesehen ein Paradebeispiel für romantische Dichtung. Im Zentrum der Handlung stehen zwei junge und verarmte Liebende, die im Winter aus lauter Not das Holz der Treppe zu ihrer Dachwohnung zum Heizen verwenden und sich dadurch von der realen Welt trennen. Die Darstellung des illusorischen Lebens der beiden Protagonisten entspricht genau wie auch Eichendorffs Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts“ den inhaltlichen Ansprüchen der Romantiker. Die für diese Literaturepoche wichtige Gattung des Schauerromans oder „Gothic Novel“ fand in Deutschland vor allem durch E.T.A. Hoffmann und seine Erzählungen wie „Der Sandmann“ oder „Die Elixiere des Teufels“ ihre Entsprechung. Auch Tiecks Märchennovelle „Der Runenberg“ mit ihrem an Verfolgungswahn leidenden jungen Protagonisten zählt zur Gattung der Schauerliteratur der schwarzen Romantik. Das intensive Interesse der Romantiker an Märchenmotiven und alten Volkssagen veranlasste auch Jakob und Wilhelm Grimm dazu, ihre bedeutende und heute international zur Standardliteratur zählende Märchensammlung anzulegen.